Fragen & Antworten » Eine ethische Frage...

Liebes Forum,

leider beschäftigt mich die Frage seit einigen Wochen und ich habe nicht das Gefühl, von "normalen" Tierhaltern mit gesunden Tieren, geschweige denn Menschen, die nie ein Haustier hatten, eine brauchbare Antwort zu bekommen. Ich brauche ein bisschen Zuspruch und eure Erfahrung in der grossen Frage: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um unsere liebe Katze einschläfern zu lassen?

Zur Vorgeschichte: Sergio ist einer von unseren drei Katzen, über 13 Jahre alt und hat seit 2010 Diabetes. So weit, so gut - entgegen dem Vorschlag meiner Putzfrau ("Und, machst du jetzt Katze weg?") und dank Forum und Dr. Z. haben wir das gut in den Griff bekommen und Sergio ist seit 2011 in Remission.
Ende März hatte er dann eine lebensbedrohliche Addison-Krise, die er nur knapp überlebt hat. Im Zuge der Untersuchungen ist man drauf gekommen, dass er einen seltenen Nebennieren-Tumor hat. Nach einem Monat hatte er dann die zweite Krise, in der er ebenso knapp davongekommen ist. Allerdings sind noch weitere schlechte Nachrichten dazugekommen: massiver Bluthochdruck und starker Verdacht auf Lymphom in den Augen und in weiterer Folge wahrscheinlich auch im Hirn.

Dank Dr. Z. und seinem Team haben wir die richtige Therapie gefunden und Sergio ist seit Anfang Mai stabil. Er bekommt Tabletten gegen den Bluthochdruck, Dexamethason gegen das Lymphom, einen Antagonisten zum hormonproduzierenden Tumor und das Kalium, ohne dass er die bedrohlichen Krisen kriegt. Ja, das sind viele Tabletten, und zweimal täglich.

Er ist zwar im Vergleich zu vorher ruhiger und etwas unsicher, da er seit der zweiten Krise schlechter sieht, aber sonst ist er wieder was er immer war: ein herziger, anhänglicher, treuer, lieber Kater. Er frisst, kuschelt, balgt gelegentlich mit seinem Bruder, sonnt sich gerne, weckt uns jeden morgen lieb auf und geniesst seinen Alltag.

Allerdings leben wir mit dem Wissen, dass es keine Genesung gibt und dass seine Gesundheit jederzeit kippen kann. Wir haben mit meiner Freundin beschlossen, dass wir ihm eine dritte Krise, den Stress einer Stationierung und der folgenden Verschlechterung nicht mehr zumuten wollen - und ihn, wenn es ihm wieder schlecht geht, einschläfern lassen.

Was mich in der Sache am meisten beschäftigt ist: wann ist es "soweit"? Wir wollen, so bescheuert das in diesem Zusammenhang klingen mag, das Beste für ihn. Klar ist, dass wir ihn nicht leiden lassen wollen. Ebenso klar ist, dass wir ihn nicht mehr tagelang stationiert lassen wollen; er soll nicht alleine sein und Angst bei Untersuchung auf Untersuchung haben, die den Krankheitsverlauf zwar differenzieren, aber nicht ändern können. Aber wie erkennen wir den "Anfang vom Ende"?

Wo ist die Grenze zwischen: "jetzt geht es wieder los" und einfach nur einem schlechten Tag? Wenn es wieder soweit ist, wie weit gehen wir mit der Therapie, um die Gewissheit zu haben, dass wir nochmals alles versucht haben? Wo liegt die Grenze zwischen medizinischem Ehrgeiz und der Einschränkung seiner Lebensqualität? Es ist für uns als Laien so ungemein schwer zu beurteilen, war er doch schon zweimal kurz vor dem Ende, und ist trotzdem noch glücklich da? Wir wollen ihn nicht quälen, indem wir auf ein drittes Wunder hoffen.

Dazu kommen noch die gut gemeinten Ratschläge von Freunden, Bekannten und Familie. Von "warum tut ihr euch das an, zweimal am Tag das Tier versorgen, da kann man ja nicht auf Urlaub fahren" über "ist doch nur ein Tier und ausserdem habt ihr doch noch zwei davon" bis hin zu "und genau wegen so was habe ich keine Haustiere"...

Ich hoffe, ihr habt als Halter von chronisch kranken Tieren etwas tiefsinnigeren Rat für mich.

Danke und liebe Grüsse aus Wien,
Jürgen

Hallo Jürgen,

anders als Doris und viele anderen hier, mussten wir diese Erfahrung zum Glück noch nicht machen. Die Frage beschäftigt uns aber natürlich auch. Durch den Diabetes und die anderen Krankheiten, die Pflege und dem noch liebevolleren Umgang mit Sergio bin ich mir ganz sicher: Wenn es soweit ist, werdet ihr wissen: Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen.

Lasst euch von den andren nicht irre machen. Ich wünsche euch alles Gute und eine schöne gemeinsame Zeit

Gruß Susanne

Hallo Jürgen!

Was für eine schwierige Frage... Ich denke, pauschal lässt sich die nicht beantworten. Ich habe aber gemerkt, dass man sein eigenes Tier immer am besten kennt. Kein Tierarzt der Welt kann ein Tier so gut einschätzen wie man selbst.

Bei meinem vorherigen Kater, Carlos, stand ich genau wie Du jetzt vor dieser schwierigen Frage, und ich hatte die gleiche Angst wie Du. Auf keinen Fall wollte ich ihm durch eine übereilte Handlung auch nur einen Tag, eine Stunde "stehlen", die er noch auf dieser Welt hätte verbringen können, ohne sich zu quälen.
Aber ich wollte ihm auch rechtzeitig jeden Schmerz und jedes Leid ersparen.

Diese Frage habe ich mir also auch immer wieder gestellt, tagein, tagaus.

Als Carlos seine erste große Krise hatte, die Laborwerte so schlecht, dass er eigentlich schon längst nicht mehr unter den Lebenden hätte weilen sollen, sah er mich beim Tierarzt an, und ich wusste: der Kerl möchte kämpfen. Der hat sich noch nicht aufgegeben. Also kämpfen wir!

Wir hatten mehrere schlechte Tage mit Zwangsfütterung, Wasser einflößen, ich musste ihn sogar zum Katzenklo tragen, so schwach war er. Aber er hat sich aufgerappelt, und noch eine wunderschöne Zeit gehabt. Keinen Moment habe ich daran gezweifelt, das Richtige zu tun.

Als dann der zweite Zusammenbruch kam, wollte er auch wieder kämpfen, er hatte sich auch dieses Mal nicht aufgegeben.
Das ging aber nur zwei Tage gut.
Ich hatte in der Zeit unten im Wohnzimmer geschlafen, um schneller mitzubekommen, wenn etwas sein sollte. Carlos kam mit letzter Kraft mitten in der Nacht bei mir aufs Sofa gekrabbelt, zog sich zu mir hoch, kuschelte eine halbe Stunde mit mir, und sah mich dann an. Und der Blick, ich kann es nicht beschreiben... Das war ein Abschied für immer. Er hatte aufgegeben. Und man sah es so deutlich, alle Zweifel waren ausgeräumt.

Also bin ich noch ganz früh morgens mit ihm in die nächste Tierklinik gefahren, und habe ihn erlösen lassen.

Ich hatte mir also so viele Gedanken um eine Sache gemacht, versucht, eine Entscheidung zu treffen, und im Endeffekt hatte Carlos mir diese Entscheidung abgenommen.

Ich kann Dir nur sagen: höre auf Dein Herz, Dein Bauchgefühl, und auf Sergio. Dann wirst Du wissen, ob und wann es soweit ist.

Ich konnte vorher die Aussage, dass man selber sehen wird, wann der Zeitpunkt gekommen ist, nicht so ganz v erstehen. Bei meiner einen Katze war es klar, sie hatte einen Tumor am Maul, konnte nicht mehr fressen un dtrinken und es ging auch sehr schnell alles. Also keine Gewissenbisse o.ä.
Bei Sophie wurde mir aufgrund der Diabetes, HCM, CNI, Milztumor und verseifter Pankreas schon beim ersten TA eine schlechte Prognose gegeben. Den TA aber wg. unverantwortlicher Can-Dosieruing gewechselt. Sophie ging es trotz aller schlechter Blutwerte (die wirklich grottig teilweise waren und auch nicht wirklich besser wurden) wesentlich besser vom Gesamtzustand als die Ärzte verstehen konnten. Die waren immer ganz erstaunt. Das hatte mich anfangs immer total verunsichert. Hatte Angst, ich rede mir ein, es ginge ihr gut (aufgrund der Werte usw. hätte es ihr doch so schlecht gehen müssen...). Mein Freund zum Glück gleicher Meinung: sie ist nicht soweit, Lebenswille da.
Ich mußte sie einschläfern lassen, weil Kieferbruch auf beiden Seiten und sie nur noch Schmerzen gehabt hätte und keine Qualität. Beim TA waren wir aber, weil sie sich versteckte, nicht fraß, 2x in den Flur gepinkelt hat (hat sie noch NIE in 16 J) und insgesamt sehr lurig schaute und vollkommen anders wirkte. Ich denke, dass es auch ohne den 2. Bruch etwas ernsthafteres (ANI?, Milztumor geplatz?) war. Sie war definitiv anders als sonst. Wäre nicht alles zusammen gekommen, hätte ich es wohl noch ein paar Tage versucht aber auch auf die Anzeichen geachtet. Und ich bin sicher, du wirst es fühlen.

Lange Rede, kurzer Sinn: ich bin der festen Überzeugung, sie wird es dir entweder selber mitteilen (Lebenswille fehlt) oder es sind ALLE erdenklichen und möglichen Möglichkeiten ausgeschöpft und alles weitere würde sie nur leiden lassen. Da du dir Gedanken über das alles machst, zeigt es ja, dass du sehr verantwortungsvoll bist. Also beobachtest du ihn gut, weißt, wie er bisher auf was reagiert hat, wie Krisen aussahen, wie es mit seinem Kampfgeist aussah usw. Ich bin fest davon überzeugt, du wirst auch bemerken, wenn er plötzlich "anders" reagiert.

Ich hatte vorher auch mal so theoretisch immer mal wieder überlegt, notfalls noch eine 2. TA-Meinung einzuholen, aber war jetzt nicht nötig. Mittlerweile glaub ich auch ehr an das "Bauchgefühl".

LG und alles Gute für Dein Katerchen
kerstin

...danke für eure Erfahrungen und lieben Worte. Ich hoffe auch, den richtigen Moment zu spüren. :.(

Ich drück Euch die Daumen, dass es ihm so lange wie möglich noch entsprechend gut geht!!!

Du wirst den Moment spüren! Vertraue Dir und Deinem Herzen und Deiner Liebe zu Deinem Kätzchen.

Leider sind heute nochmals schlechte Nachrichten in Form von einem schlechten Blutbild gekommen; leider scheint auch das Knochenmark betroffen zu sein. Wenn es Sergio in den nächsten Tagen nicht besser geht, mache es medizinisch keinen Sinn mehr...

Hallo Jürgen,

das tut mir sehr leid, das zu hören. Ich bin mir aber immer noch ganz sicher, dass ihr den richtigen Zeitpunkt finden werdet, wenn Sergio nicht mehr kämpfen will.

Ich wünsche euch noch schöne Tage und schicke mal eine Tüte Kraft in eure Richtung

Fühl dich umarmt

Gruß Susanne

Ich drücke die Daumen, dass das nur eine Momentaufnahme war und sich Sergio wieder erholen wird :-)